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Atlasfrakturen (C1)

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Der erste und zweite Halswirbel, Atlas (C1) und Axis (C2), heben sich im Gegensatz zu den anderen Wirbeln durch ihre Form deutlich ab, um die Befestigung und Beweglichkeit des Kopfes zu gewährleisten.
Atlas und Axis, von hinten gesehen

Der ringförmige Atlas (C1) ist der Träger des Kopfes und besteht aus den beiden Seitenstücken, massae laterales, die durch den vorderen und hinteren Bogen verbunden sind. Über die oberen Gelenkflächen (fovea articularis superior), die auf den Seitenmassiven (massae laterales) sitzen, ist der Atlas mit dem Hinterhauptbein des Schädels verbunden, wodurch das obere Kopfgelenk gebildet wird, das eine Vorwärts-und Rückwärtsneigung, sowie eine geringe Seitwärtsneigung des Kopfes ermöglicht.
Nach unten ist der Atlas über die untere Gelenkflächen (fovea articularis inferior) mit dem 2. Halswirbel (axis) verbunden.
Atlas, 1.Halswirbel, von oben gesehen Anatomische Strukturen

Welche Frakturtypen gibt es?

Die Frakturen des 1. Halswirbels (Atlas) werden nach Gehweiler in 5 Subtypen unterteilt:

Typ I: Fraktur des vorderen Atlasbogens

Fraktur des vorderen Atlasbogens Gehweiler Typ I

Bei diesem Frakturtyp handelt es sich um eine Abrissfraktur des tuberculum anterius des vorderen Atlasbogens, an dem ein Muskel der tiefen vorderen Halsmuskulatur (musculus longus colli) ansetzt. Durch Hyperextension der Halswirbelsäule (massive Überstreckung nach hinten) wird der musculus longus colli stark angespannt, wodurch es zum knöchernen Ausriss des tuberculum anterius des Atlas kommen kann. Der isolierte Ausriss des tuberculum anterius atlantis stellt eine stabile Fraktur dar.

Typ II: Fraktur des hinteren Atlasbogens

Fraktur des hinteren Atlasbogens Gehweiler Typ II

Der Bruch des hinteren Atlasbogens kann durch Hyperextension, starke Flexion (Beugung) oder axiale Stauchung der Halswirbelsäule entstehen. Bei der axialen Stauchung kommt es zur Einkeilung des hinteren Atlasbogens zwischen den Gelenkmassiven des Hinterhauptbeins und dem 2. Halswirbel (axis), wodurch der hintere Atlasbogen gebrochen wird. Der isolierte Bruch des hinteren Atlasbogens ist ein stabiler Bruch.

Typ III: Kombinierte Frakturen des vorderen und hinteren Atlasbogens

Kombinierte Fraktur der Atlasbögen Gehweiler Typ III

Der kombinierte Bruchtyp des vorderen und hinteren Atlasbogens wird auch als„Jefferson-Fraktur” bezeichnet.

Typ IV: Fraktur der Massa lateralis.

Fraktur der massae laterales Gehweiler Typ IV

Bei der isolierten Fraktur eines der Gelenk tragenden Seitenmassive des Atlas (massa lateralis) handelt es sich um eine stabile Fraktur.

Typ V: Fraktur des Processus transversus.

Fraktur des processus transversus Gehweiler Typ V

Die Querfortsätze des Atlas (processus transversus) sind Ansatzpunkte einiger Muskeln der seitlichen Gruppe der tiefen Hals- und Nackenmuskulatur. Nach unten ziehen zum Beispiel Anteile des musculus scalenus medius, nach oben zieht der musculus rectus capitis lateralis. Abrissfrakturen der Querfortsätze des Atlas sind stabile Brüche.
Ausschnitt der Halsmuskulatur, von vorn gesehen

Jefferson Frakturen des Atlas

Kombinierte Frakturen des vorderen und hinteren Atlasbogens, entsprechend Gehweiler, Typ III, werden auch Jefferson Frakturen genannt.
G. Jefferson hat diese Kombinationsbrüche des 1. Halswirbels 1920 erstmals beschrieben und in verschiedene Typen eingeteilt.

Welche Formen der Jefferson Fraktur gibt es?

Die klassische Jefferson Fraktur ist die 4-Part Fraktur, es können aber auch Frakturtypen mit 2 oder 3 Frakturteilen entstehen.
Jefferson Fraktur, 2-Part-Fraktur Jefferson Fraktur, 3-Part-Fraktur Jefferson Fraktur, 4-Part-Fraktur

Wie entstehen Jefferson Frakturen?

Wenn Kräfte axial, wie bei einem Kopfsprung, auf die Halswirbelsäule wirken, werden diese Kräfte über die Gelenkmassive des Hinterhauptbeins (condyli occipitales) auf das obere Kopfgelenk weitergeleitet. Da in diesem Bereich keine Bandscheibe ist, muss der Atlas die einwirkenden Kräfte ohne Pufferwirkung verteilen. Die axial einwirkenden Kräfte werden durch die Neigung der Gelenkflächen der Kopfgelenke in Kräfte umgewandelt, die nach außen abgeleitet werden. Durch diese nach den Seiten gerichtete Umleitung der einwirkenden Energie kommt es zum Auseinanderbersten der Atlasbögen.
Durch das seitliche Auseinanderweichen der Atlasbögen kann es zur Zerreißung des Ligamentum transversum atlantis kommen. Dieses Band gewährleistet die Stabilität des unteren Kopfgelenks zwischen 1. und 2. Halswirbel. Bei einer Zerreißung kommt es zur Instabilität mit möglicher Kompression des Rückenmarks durch Einengung des Rückenmarkkanals.
Atlas, von oben Ligamentum transversum

Welche Symptome gibt es bei Jefferson Frakturen?

  • Schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule
  • Schiefhals
  • Schluckstörungen
  • Verletzungen des nervus glossopharyngeus und nervus occipitalis major
  • Bei instabilen Frakturtypen Kompression des Rückenmarks mit neurologischen Ausfällen
  • Verletzung der arteria vertebralis in 30% der auftretenden Fälle

Wie werden Frakturen des Atlas diagnostiziert?

  • Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule in 2 Ebenen
  • Computer- oder Kernspintompgraphie

Wie werden Frakturen des Atlas behandelt?

Stabile, nicht verschobene Frakturen des Atlas können häufig konservativ durch Ruhigstellung mittels spezieller Zervikalstützen für 8 Wochen behandelt werden.
Jefferson-Frakturen mit ligamentärer Zerreißung und daraus folgender seitlicher Verschiebung von C1 gegen C2 müssen zwingend operativ versorgt werden.
Mögliche Operationsverfahren sind:
  • transorale Reposition und Osteosynthese von C1 nach Harms
  • C0/C2-Fusion