Sie sind hier: Startseite > Hauptmenü > Grundlagenwissen Wirbelsäule > Der Rückenschmerz
> Ursachen/Risikofaktoren > Schmerzentstehung > Akuter/Chronischer Schmerz > Mit/Ohne Beteiligung der Nervenwurzel

Ursachen/Risikofaktoren

Download

Der Rückenschmerz, ein volkswirtschaftlicher Faktor

Wer kennt das nicht, der Rücken schmerzt, Sitzen, Bücken oder das Aufrichten machen plötzlich bislang nicht bekannte Beschwerden.
Wenn man sich die bekannten Studien bezüglich des Symptoms Rückenschmerz in Deutschland betrachtet, muss man davon ausgehen, dass aktuell die Häufigkeit von Rückenschmerzen bei Erwachsenen bei einer Punktprävalenz von cirka 40% liegt.
Die Punktprävalenz ist eine statistische Kennzahl, die angibt, wie hoch die Anzahl der Betroffenen einer bestimmten Erkrankung (zum Beispiel Rückenschmerz) in einer bestimmten Population (zum Beispiel innerhalb der Gruppe der Erwachsenen in Deutschland) zu einem bestimmten Zeitpunkt ist. Betrachtet man die Lebenszeitprävalenz, so kann man davon ausgehen, dass mehr als 80% der Erwachsenen in Deutschland im Laufe ihres Lebens unter Rückenschmerzen gelitten haben.
Die Mehrzahl der Patienten mit Rückenschmerzen sind zwischen 30 und 50 Jahren alt. Der Rückenschmerz nimmt bereits bei Heranwachsenden deutlich zu, man kann davon ausgehen, dass in Deutschland etwa
40% der 14-19. Jährigen unter wiederkehrenden Rückenschmerzen leiden. Der Rückenschmerz hat sich somit zur Volkskrankheit Nr. 1 in Deutschland entwickelt.
Volkswirtschaftlich ist der Rückenschmerz ein gewaltiger Kostenfaktor:
  • In Deutschland werden jährlich cirka 25-30 Milliarden Euro für Diagnostik und Therapie, Ausfallkosten durch Arbeitsunfähigkeitstage und Kosten einer Berentung durch bestehende Rückenbeschwerden ausgegeben.
  • cirka 40% aller Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind durch Rückenschmerzen bedingt.
  • cirka 20% der Berentungen erfolgen auf Grundlage chronischer Wirbelsäulenbeschwerden
  • cirka 10% der akuten Rückenschmerzen gehen in chronische Verläufe über
  • die chronischen Rückenschmerzpatienten machen bis zu 80% der Gesamtkosten mit der Diagnose „Rückenschmerz” aus
  • mehr als 10 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage werden jährlich durch Rückenbeschwerden verursacht

Welche Ursachen und Risikofaktoren für die Entstehung von Rückenschmerzen gibt es?

Der Rückenschmerz stellt keine eigenständige Diagnose dar, sondern muss als Komplex von Symptomen und individuellen Faktoren gesehen werden, der sich aus biologischen, sozialen und psychischen Komponenten zusammensetzt:
  • Biologisch
    • degenerative Veränderungen
    • höheres Alter
    • Trauma
    • Defizite und Dysbalancen der Muskulatur, die den Rumpf stabilisiert
  • Sozial
    • Berufliche Situation mit körperlicher Schwerarbeit oder einseitiger Körperhaltung (z. B. langes Sitzen, langes Stehen, Arbeiten in gebeugter Haltung)
    • Geringe berufliche Qualifikation oder berufliche Unzufriedenheit
    • Lebensstil mit Rauchen, Übergewicht, mangelnder Bewegung, schlechter Kondition und fehlenden Ausgleichstätigkeiten zu Beruf und Alltag.
  • Psychisch
    • Angst, Depression
    • Überforderung
    • Stress, Konflikte im Alltag
    • Somatisierungsstörung
    • Posttraumatische Belastungsstörungen

Biologische Faktoren werden heute nicht mehr als alleiniger Auslöser von Wirbelsäulenbeschwerden angesehen. Die radiologischen Zeichen der Abnutzung an der Wirbelsäule nehmen im Alter zwar zu, die Anzahl der Rückenschmerzpatienten nimmt im Alter aber eher ab.
Rückenschmerzen werden häufig auch durch so genannte Triggerpunkte ausgelöst. Triggerpunkte sind Areale im Gewebe, die auf Druck empfindlich und schmerzhaft reagieren. Myofasziale Triggerpunkte sind bis zu einem cm² große Punkte im Muskel, den Muskelhüllen und den Sehnen, die Schmerzen verursachen können. Von diesen Triggerpunkten aus können die Schmerzen in andere Regionen weitergeleitet werden, man spricht dann von einem Projektionsschmerz. Diese Art von Schmerzen tritt oft am Hinterkopf, dem Rücken, Nacken und Schultern auf.
Schmerzhaft Triggerpunkte können gerade in der Muskulatur eine Kettenreaktion auslösen.
Durch eine Überbelastung oder Schonhaltung bei schmerzhafter Muskulatur zieht sich der betroffene Muskel zusammen, es kommt zu einer Verspannung, die zu einer örtlichen Minderdurchblutung des Muskelgewebes führt. Der betroffene Patient nimmt eine Schonhaltung ein, um die Schmerzen zu lindern. Dadurch können sich aber andere Muskelgruppen ebenfalls verspannen, neue Triggerpunkte entstehen und die Schmerzen werden stärker.

Gibt es Hinweise für die Gefahr einer Chronifizierung oder auf das Vorliegen komplizierter Rückenschmerzen?

Folgende Zeichen werden symbolisch als yellow flags („gelbe Flaggen”) bezeichnet, bei deren Vorliegen die Gefahr einer Chronifizierung von Rückenschmerzen besteht:
  • anhaltende und wiederkehrende Rückenbeschwerden
  • Arbeitsunfähigkeitszeiten von mehr als 4-6 Wochen
  • radikuläre Schmerzen
  • geringer Bildungsstand
  • falsche Einstellung und Erwartungen an das Krankheitsbild, Depression
  • ausgeprägtes Krankheitsgefühl und Erleben der Krankheit
  • schlechte Schmerzverarbeitung
  • anhaltende Belastungen im beruflichen und privaten Alltag
  • Rentenwunsch.

Folgende Zeichen werden symbolisch als red flags („rote Flaggen”) bezeichnet, bei deren Vorliegen die Möglichkeit von komplizierten Rückenschmerzen besteht:

  • Zunahme von Rückenschmerzen trotz Behandlung
  • neurologische Ausfälle, Lähmungserscheinungen
  • Vorerkrankungen wie Rheuma, Osteoporose, Tumorleiden
  • Fieber in Verbindung mit Rückenschmerzen
  • Systemische Cortisonbehandlung
  • Immunsuppression
  • Stärkeres Trauma in der Vorgeschichte