Sie sind hier: Startseite > Hauptmenü > Wirbelsäulenerkrankungen > Skoliose/Deformitäten
> Definition Epidemiologie, Symptome > Klassifikation (King, Lenke) > Diagnostik > Therapie > Geschichte der Skoliosetherapie > Idiopathische Skoliose > Formationsstörung > Segmentationsstörungen > Meningomyelocele > Infantile Cerebralparese > Spinale Muskelatrophie

Therapie

Download

Wie wird die Skoliose behandelt?

Die Behandlung der Skoliose kann nicht einheitlich betrachtet werden. Verschiedene Faktoren der Behandlung, wie die Versorgung mit Korsett oder gerade der Zeitpunkt einer operativen Versorgung werden häufig in Abhängigkeit von Krümmungswinkelangaben teilweise sehr kontrovers diskutiert. Wie in anderen Fachdisziplinen auch, gibt es eine Meinungsvielfalt im therapeutischen Vorgehen, was die Entscheidung des Patienten zu einem empfohlenen therapeutischen Vorgehen nicht erleichtert.
Eine exakte Diagnosestellung auf der Grundlage einer intensiven Befragung, der körperlichen und neurologischen Untersuchung, sowie der Röntgenuntersuchung ergibt die Basis für ein gutes Beratungsgespräch, in dem der Patient, gegebenenfalls die Eltern, über die Diagnose Skoliose, deren Verlauf, eventuell bestehenden Risiken und Behandlungsstrategien mit konservativem oder operativem Vorgehen durch den behandelnden Arzt aufgeklärt werden kann.
Die Behandlungsstrategie setzt ein differenziertes Vorgehen voraus, ein bestimmtes Ausmaß des Krümmungswinkels der Skoliose allein sagt noch nichts über den Zeitpunkt eines operativen Vorgehens aus. Eine angeborene (kongenitale) Skoliose durch eine Wirbelkörperfehlanlage oder eine neuromuskuläre Skoliose setzen ein anderes Behandlungsmanagement voraus als die Behandlung einer idiopathischen Skoliose, da die Patienten in den beiden genannten Gruppen andere Entstehungsmechanismen und Progredienzrisiken in der Entstehung und im Verlauf der skoliotischen Fehlstellung zeigen, weshalb die bestehenden Grunderkrankungen bei den kongenitalen und neuromuskulären Skoliosen häufig ein sehr frühes operatives Vorgehen bereits im Kleinkindalter erforderlich machen.

Die Behandlung der Skoliose setzt sich aus drei Bausteinen zusammen:

  • Physiotherapie
  • Korsettbehandlung
  • Operative Korrektur der Deformität

Physiotherapie

In Abhängigkeit von den vorliegenden Befunden ist der Einsatz gezielt wirkender physiotherapeutischer Maßnahmen unter professioneller Anleitung ein zentrales Element der konservativen Behandlung.

  • Dreidimensionale Skoliosebehandlung nach Katharina Schroth                                                
    Die dreidimensionale Skoliosebehandlung nach Katharina Schroth stellt ein sehr komplexes physiotherapeutisches Behandlungsschema dar, das bei intensivem Training unter Anleitung und regelmäßiger Anwendung sehr hilfreich sein kann.
  • Behandlung nach dem Vojta Konzept
    Vojta hat ein Bewegungsentwicklungsmodell entwickelt, das bei jedem Menschen individuell ein Bewegungsmuster beinhaltet, das die Körperlage im Raum sichert, Aufrichtung und zielorientierte Bewegung ermöglicht und die Muskelfunktion innerhalb der Muskelketten differenziert. Bei diesen Vorgängen, die automatisch und unwillkürlich ablaufen, steht die Wirbelsäule im Zentrum. Bewegungsmuster können reflektorisch aktiviert werden, wodurch die Wirbelsäule dreidimensional beeinflusst werden kann.
  • E-Technik (Hanke-Konzept)
    Hierbei handelt es sich um eine neurophysiologische Behandlungsmethode, die auf der Grundlage des Vojta Konzepts weiterentwickelt wurde. Sie hilft, gestörte Bewegungs- und Haltungsmuster zu verbessern.

Die genannten Therapiemethoden können in Kombination mit dem Erlernen spezieller Atemtechniken dem Patienten helfen, die Wirbelsäule zu stabilisieren und neue Bewegungs- und Haltungsmuster zu erlernen. Wie bei der Anwendung jeder konservativen unterstützenden Behandlungsmethode hängt der Erfolg von der professionellen Anleitung und der Regelmäßigkeit der durchgeführten Übungen im Alltag ab.

Korsettbehandlung

Erste Beschreibungen einer Korsetttherapie der Skoliose finden sich bereits bei Hippokrates, im Mittelalter wurde von Ambroise Paré ein Stützapparat aus Eisenplatten entwickelt. Seit des von Blount 1945 entwickelten Milwaukee-Korsetts haben sich bis heute verschiedene Weiterentwicklungen und Modifizierungen von Korsetts zur konservativen Skoliosetherapie etabliert. Das Ziel der Korsett-Therapie besteht in der Aufhaltung des Fortschreitens der Wirbelsäulenverkrümmung und einer teilweise Wiederaufrichtung der bestehenden Krümmung.
Die Skoliosetherapie mit einem Korsett, das über einen langen Zeitraum täglich getragen werden muss, ist gerade für einen heranwachsenden jungen Menschen eine starke psychische und physische Belastung, mit der er im Alltag zurecht kommen muss. Dies setzt eine intensive begleitende und unterstützende Führung durch Eltern und Therapeuten voraus. Eine Korsetttherapie kann nur dann einen Erfolg zeigen, wenn folgende Faktoren beachtet werden:

  • Lokalisation und Ausprägung der Skoliose
  • Skelettalter
  • Richtige Wahl des Korsetts
  • Korrekter Aufbau des Korsetts
  • Regelmäßige Kontrollen, um Korrekturen zu veranlassen
  • Einsicht und absolute Kooperationsbereitschaft durch den Patienten
  • Intensive Unterstützung durch das familiäre und therapeutische Umfeld

Die Korsett-Therapie bei der Behandlung der Skoliose wird seit Jahren kontrovers diskutiert, international gibt es keine einheitlichen Empfehlungen. Der Einsatz einer Korsettversorgung ist oft fraglich, da die Effizienz der Korsettbehandlung in keiner Weise bewiesen ist. Allgemein kann es dagegen als bewiesen angesehen werden, dass eine stark progrediente (zunehmende) Skoliose durch eine Korsettversorgung letztendlich nicht zu beeinflussen ist!
In der folgenden Aufstellung finden Sie eine Kurzbeschreibung verschiedener Korsettarten.

Milwaukee Korsett
Das Milwaukee Korsett wurde 1945 von Blount in den USA entwickelt, es besteht aus einem Kunststoffbeckenteil, das vorne und hinten über Aluminiumführungen mit dem geschlossenen Halsring verbunden ist. Der Halsring wird hinten mit einer Schraube verschlossen, hier finden sich ebenfalls die Hinterhauptpolster. Vorne befindet sich eine muldenförmige Auflage für das Kinn. Durch den Einbau von Druckpolstern (Pelotten) wird eine Korrektur der Wirbelsäulenfehlstellung erreicht.
Durch das Korsett soll eine aktive Extension, Derotation und ein Lordoseausgleich herbeigeführt werden. Die Behandlung im Milwaukee-Korsett wird durch eine spezielle Krankengymnastik im Korsett begleitet.
Die Nachteile liegen in einem stark lordosierenden Effekt auf die Brustwirbelsäule und in dem belastenden Tragekomfort durch den Halsring.
Das Milwaukee-Korsett wird heute in aller Regel nur noch bei hochthorakalen Skoliosen verwendet.

underarm braces (TLSO=thorako-lumbo-sakrale-Orthese)
Die underarm braces bezeichnen die Nachfolger des Milwaukee Korsetts, die ohne Halsring auskommen. Bei den TLSO Orthesen wird über eingebaute Pelotten (Druckpolster) an drei Stellen Druck auf die Wirbelsäule ausgeübt, damit die korrigierende Kraft ausgeübt werden kann, um die Fehlstellung der Wirbelsäule zu verbessern. Diese so genannten Dreipunkte-Korsetts haben ihre Druckpolster in der Regel im Bereich der Lendenwirbelsäule, der Außenseite des Beckens und am Brustkorb. Die Derotationsorthesen nach Boston, Cheneau und das Lyoner (Stagnara) Korsett gehören zu dieser Art von Orthesen.

Boston Korsett
Das Boston Korsett ist eine Weiterentwicklung des Milwaukee Korsetts. Das Korsett wird nach einem Gipsabdruck aus Kunststoff angefertigt und soll über eingebaute Erhöhungen eine teilaktive Korrektur der Wirbelsäulenfehlstellung erreichen. Das Boston Korsett zeichnet sich anfänglich durch eine starke Entlordosierung der Lendenwirbelsäule aus, die sich als nachteilig erwies. In der Folgezeit wurden durch den modularen Aufbau des Korsetts Varianten des Boston Korsetts entwickelt, die eine Lendenlordose bis zu einem Cobb Winkel von 15° aufzeigen. Dies ist von entscheidender Bedeutung bei der Korrektur der Fehlstellung, da nur über eine physiologische Ausbildung der Lendenlordose eine Kyphosierung der thorakalen und thorakolumbalen Wirbelsäule erreicht werden kann. Das Zusammenspiel der Module und der eingebauten Druckpelotten soll dann eine Aufrichtung und Derotation der Wirbelsäule bewirken. Das Boston Korsett wird in der Regel zur Behandlung lumbaler und thorakolumbaler Skoliosen eingesetzt.

Chêneau Korsett
Das Cheneau Korsett wurde Mitte der 70er Jahre durch den französischen Arzt Jacques Cheneau entwickelt. Die Orthese wird nach Gipsabdruck aus Kunststoff gefertigt, verfügt über einen Beckenkorb, der das Becken aufrichtet und eine Streckung der Lendenwirbelsäule zulässt.
Das Cheneau Korsett ist ein teilaktives Inspirations-Derotationskorsett, wodurch die Korrektur der bestehenden Fehlstellung durch den Pelottendruck, die Freiräume in der Orthese, die als Ausgleichsräume dienen und eine speziell zu erlernende Atemtechnik erreicht wird. Das Cheneau Korsett wird in der Regel zur konservativen Therapie der idiopathischen thorakalen Skoliose eingesetzt.

Lyoner oder Stagnara Korsett
Durch eine hohe Anlage des Korsetts unter den Achseln bewirkt diese Orthese eine Rumpfextension. Der Beckenteil und die Achselstützen sind vorn und hinten mit Aluminiumstäben verbunden, die eingebauten Druckpelotten bewirken eine Derotation. Das Stagnara Korsett kann bei thorakolumbalen und mittelhohen thorakalen Skoliosen eingesetzt werden.

Wilmington Brace
Dieses Korsett wird aus Thermoplast hergestellt und findet hauptsächlich bei thorakolumbalen Skoliosen ohne fixierte Rotationsstellung der Wirbelsäule seine Anwendung.

Charleston Bending Brace
Dieses Korsett ist ein so genanntes Umkrümmungskorsett, da im Vergleich zu den oben genannten Orthesen eine umkrümmende Kraft auf die Wirbelsäulenverbiegung einwirkt. Der Patient wird im Korsett in einer maximalen Seitwärtsneigung der zu behandelnden Krümmung gehalten. Durch eine eingebaute Pelotte wird Druck auf die maximale Spitze (Apex) der Krümmung ausgeübt, wodurch eine Umkrümmung der skoliotischen Deformität erreicht wird. Das Korsett soll 8 Stunden während der Nachtruhe getragen werden und wird zur Behandlung kurzer thorakolumbaler oder lumbaler Skoliosen eingesetzt.

Umkrümmungskorsett nach Lukeschitsch
Durch in den Beckenkorb eingebrachte Pelotten wird Druck auf den lumbalen Scheitel der skoliotischen Krümmung ausgeübt. An den ventralen und dorsalen Aluminiumstangen des Korsetts können Pelotten stufenlos eingestellt werden. Diese Druckkomponenten führen zu einer Derotation und Aufrichtung der Wirbelsäule.

Operative Behandlung

Die operativen Korrekturverfahren einer Skoliose gehören zu den großen Eingriffen an der Wirbelsäule, die, wie andere Operationen auch, Komplikationen nach sich können. Deshalb sollten bei der Indikationsstellung zum operativen Vorgehen folgende Kriterien bestehen:

  • Progression (Zunahme) des Krümmungswinkels
  • Ungünstiges sagittales Profil
  • Schmerzen

Bei der Auswahl der Operationstechnik sind folgende Kriterien zu berücksichtigen:

  • Flexibilität der Hauptkrümmung
  • Flexibilität der Gegenkrümmungen
  • Sagittales Profil
  • Bestimmung der Endwirbel für die Instrumentation
  • Stable zone

Für die operative Therapie der Skoliose stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung, mit denen die Verkrümmung und Verdrehung der skoliotischen Deformität korrigiert und stabilisiert werden können. Es lassen sich folgende Verfahren unterscheiden:

  • Dorsale Verfahren, die über einen Zugangsweg von hinten erfolgen
  • Ventrale Verfahren, die einen vorderen Zugang haben
  • Kombinierte dorsale und ventrale Operationsverfahren

Weitere Information zur operativen Versorgung der verschiedenen Skolioseformen und ausgewählte Operationsverfahren, die in unserer Abteilung bei der Behandlung von Skoliosen eingesetzt werden, stellen wir Ihnen in den Bereichen Idiopathische Skoliose, Kongenitale Skoliose und Neuromuskuläre Skoliose vor.