Zunächst muss man zwischen Skoliosen im Brustwirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulenbereich (Thorakal- und Lumbalskoliose) unterscheiden. Dann gibt es die Unterscheidung, ob eine einbogige oder eine doppelbogige Skoliose vorliegt. Die doppelbogigen Skoliosen treten in der Regel im Brust- und Lendenwirbelbereich gemeinsam auf. Die große einbogige Skoliose im Sinne eines großen C tritt bei der idiopathischen Skoliose seltener, bei der neuromuskulären Skoliose dagegen gehäuft auf.
Thorakale Krümmungen
Unter thorakalen Skoliosen versteht man Skoliosen, die ihre Primärkrümmung im Bereich der Brustwirbelsäule haben und die kompensatorische Gegenkrümmung lumbal liegt. Bei einer zusätzlichen hochthorakalen Gegenkrümmung muss diese in die Instrumentation einbezogen werden, da ohne Einbeziehung dieser hochthorakalen Gegenkrümmung eine Dysbalance trotz gut korrigierter Hauptkrümmung auftreten kann. Die thorakalen Skoliosen zeigen als besonderes Merkmal eine Veränderung des sagittalen Profils dahingehend, dass sie eine Tendenz zur Ausbildung einer Hypokyphose (Flachrücken) bis hin zur Lordose (Hohlrückenform) der Brustwirbelsäule aufweisen. Diese sagittale Fehlstellung wird zum Beispiel von Dickson als Primärursache für die Skoliose angesehen. Thorakale Skoliosen können durch Operationsverfahren mit einem ventralen (vorderen), dorsalen (hinteren) oder kombinierten Zugangsweg zur Wirbelsäule korrigiert werden.
Operationsverfahren über einen ventralen Zugangsweg
Die Mehrzahl der thorakalen Skoliosen vom Typ Lenke 1A, 1B, 1C und 3C kann häufig durch ein rein ventrales Operationsverfahren mit sehr guten Ergebnissen dreidimensional korrigiert werden. Der Vorteil des ventralen Verfahrens besteht darin, dass immer eine Verkürzung der vorderen Säule durch die Entfernung der Bandscheiben erreicht wird, wodurch automatisch eine hypokyphotisch-lordotische Fehlstellung im sagittalen Profil in eine Normalkyphose überführt werden kann.
Operationsverfahren über einen dorsalen Zugangsweg
Ein dorsaler Zugangsweg sollte dann in Betracht gezogen werden, wenn neben der thorakalen Primärkrümmung eine zusätzliche rigide, hochthorakale Gegenkrümmung besteht. Wenn diese hochthorakale Gegenkrümmung nicht in die Operation einbezogen wird, kann es zu einer Dekompensation kommen, da die Spontankorrektur dieser hochthorakalen Gegenkrümmung unzureichend ist.
Ein Operationsverfahren nur über einen dorsalen Zugang wählt man, wenn:
- Eine gute Mobilität der Primärkrümmung vorliegt, was leicht im Bending-Test überprüft werden kann
- Keine ausgeprägte thorakale Hypokhose-Lordose vorliegt
Operationsverfahren über kombinierte ventrale und dorsale Zugangswege
Kombinierte Verfahren kommen immer dann zur Anwendung, wenn die Primärkrümmung eine sehr rigide Kurve aufweist und das sagittale Profil der Wirbelsäule ungünstig ist. Beim Vorliegen einer rigiden Haupt- und zusätzlichen hochthorakalen rigiden Nebenkrümmung kommt das kombinierte Operationsverfahren ebenfalls zum Einsatz. In diesen Fällen kann die Rigidität (Steifheit) der Wirbelsäule durch eine ventrale Release-Operation (Lockerung) verbessert werden und in der gleichen oder einer 2. Operation von dorsal instrumentiert werden, wodurch sehr gute dreidimensionale Korrekturen erzielt werden können. Das sagittale Profil der Wirbelsäule spielt eine große Rolle, ob man eine ventrale Release Operation mit oder ohne ventraler Instrumentation durchführt. Bei einer ausgeprägten thorakalen Lordose ist immer ein ventrales Release notwendig, um eine genügende Rekyphosierung der Brustwirbelsäule zu erreichen.
Bei sehr rigiden Skoliosen kann eine präoperative Extensionsbehandlung mittels einer Halo-Extension zur Anwendung kommen. Hierbei wird durch ein spezielles angebrachtes System permanent Zug in Richtung der Längsachse der Wirbelsäule ausgeübt, um bereits vor der Operation die eingesteifte Krümmung zu lockern. Dieses zusätzliche Verfahren sollte bei sehr rigiden Skoliosen mit einem Krümmungswinkel über 70° nach Cobb zum Einsatz kommen. Bei massiv eingesteiften Skoliosen muss manchmal so vorgegangen werden, dass zunächst eine 2-wöchige Halo-Extension durchgeführt wird, anschließend das ventrale Release erfolgt und erst nach einer erneuten 2-wöchigen Halo-Extensionsbehandlung die dorsale Instrumentation erfolgt. Durch dieses aufwändige therapeutische Vorgehen lassen sich auch bei massiv rigiden Skoliosen sehr gute Korrekturergebnisse erzielen.
Thorakolumbale und lumbale Krümmungen
Diese Krümmungstypen können über einen ventralen Operationszugang ideal versorgt werden. Dwyer und Zielke haben dieses Operationsverfahren in den 70er Jahren vorangetrieben. Nach der Einführung des CD-Instrumentariums von Cotrel-Dubousset kam dieses Verfahren zunächst in Verruf, da zwar sehr gute Korrekturergebnisse in der Frontalebene im Sinne der Wirbelsäulenaufrichtung erzielt wurden, häufig aber eine unzureichende Korrektur, manchmal sogar eine Verschlechterung des sagittalen Wirbelsäulenprofils mit diesen Verfahren verbunden war.
Die von Harms vorgeschlagenen Veränderungen in den ventralen Operationsverfahren, inbesonders die Verwendung von strukturellen ventralen Abstützmaterialien (Cages), haben dazu geführt, dass die oben beschriebenen Nachteile, die Ausbildung einer lumbalen Kyphose, völlig zu vermeiden sind.
Deshalb kann heute bei den meisten thorakolumbalen oder lumbalen Krümmungen die so genannte ventrale lordosierend-derotierende Spondylodese mit guter ventraler Abstützung zwischen den Wirbelkörpern als Therapie der Wahl angesehen werden. Wenn sehr rigide thorakolumbale und lumbale Skoliosen mit einer ausgeprägten thorakolumbalen Kyphose vorliegen, kann auch bei diesen Krümmungstypen ein kombiniertes operatives Vorgehen erforderlich werden.
Durch ein ventrales Release und einer dorsalen Instrumentation mit einem Doppelstabsystem können auch bei diesen Befunden sehr gute Korrekturergebnisse erzielt werden, die häufig eine Nachbehandlung ohne Korsett ermöglichen.
Diese Technik kommt häufig bei älteren Patienten zur Anwendung.
Double Major Kurve
Bei diesem Krümmungstyp handelt es sich um doppelbogige Kurven, die meistens eine rechtskonvexe thorakale und eine linkskonvexe lumbale Krümmung aufweisen. Das Problem dieses Typs ist darin zu sehen, dass die Skoliose oft erst spät erkannt wird, da sich die beiden gegenläufigen Krümmungen gut kompensieren und dadurch erst spät klinische Auffälligkeiten entstehen. Bei der Double Major Kurve ist das sagittale Profil meistens nicht so ungünstig verändert wie bei den thorakalen oder lumbalen Skoliosen.
Früher war man bei der operativen Versorgung dieses Kurventyps eher zurückhaltend. Man hat mittlerweile herausgefunden hat, dass ausgeprägte lumbale Krümmungen, die zwar in der Jugend kaum Probleme verursachen, im weiteren Verlauf doch die Grundlage für das frühe Einsetzen von degenerativen Veränderungen der fehlbelasteten Bandscheiben mit Schmerzen nach sich ziehen. Deshalb sollte auch beim Vorliegen dieser Doppelkurven, gerade auch bei Doppelkurven mit einer Progressionstendenz, zu einem operativen Vorgehen geraten werden. Bei der Versorgung der Double Major Kurven können sowohl dorsale als auch ventrale Operationsverfahren zum Einsatz kommen.
In der Regel zeigen diese Doppelkurven eine gute Flexibilität, so dass sie sich für die alleinige dorsale Instrumentation eignen. Mit der Verwendung von Pedikelschrauben kann das frontale und sagittale Wirbelsäulenprofil sehr gut korrigiert werden. Sollten die Bendingtests beim Vorliegen einer Double Major Kurve zeigen, dass eine der beiden Krümmungen nur ungenügend aufgerichtet werden kann oder ein unzureichendes seitliches Profil besonders in der Thorakalebene besteht, kann man auch eine ventrale Instrumentation über beide Kurven durchführen.
Mit dem ventralen Vorgehen ist es dann oft möglich, die Versteifungsstrecke nach unten zu verkürzen. Die Möglichkeit der Einsparung eines zu versteifenden Segments kann schon ein Grund sein, bei diesen Befunden das ventrale Vorgehen zu empfehlen, da jedes zusätzliche bewegliche Segment in der Lendenwirbelsäule für die Gesamtfunktion der Wirbelsäule von großer Bedeutung sein kann.