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Orthopädietechnik, Korsetttherapie
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Erste Beschreibungen einer Korsetttherapie der Skoliose finden sich bereits bei Hippokrates, im Mittelalter wurde von Ambroise Paré ein Stützapparat aus Eisenplatten entwickelt.
Seit des von Blount 1945 entwickelten Milwaukee-Korsetts haben sich bis heute verschiedene Weiterentwicklungen und Modifizierungen von Korsetts zur konservativen Skoliosetherapie etabliert. Das Ziel der Korsett-Therapie besteht in der Aufhaltung des Fortschreitens der Wirbelsäulenverkrümmung und einer teilweise Wiederaufrichtung der bestehenden Krümmung.
Die Skoliosetherapie mit einem Korsett, das über einen langen Zeitraum getragen werden muss, ist gerade für einen heranwachsenden jungen Menschen eine starke psychische und physische Belastung, mit der er sich im Alltag arrangieren muss. Dies setzt eine intensive begleitende und unterstützende Führung durch Eltern und Therapeuten voraus. Eine Korsetttherapie kann nur dann einen Erfolg zeigen, wenn folgende Faktoren gegeben sind:
- Richtige Wahl des Korsetts
- Korrekter Aufbau des Korsetts
- Regelmäßige Kontrollen, um Korrekturen zu veranlassen
- Einsicht und absolute Kooperationsbereitschaft durch den Patienten
- intensive Unterstützung durch das familiäre und therapeutische Umfeld
Die Korsett-Therapie bei der Behandlung der Skoliose wird seit Jahren kontrovers diskutiert, international gibt es keine einheitlichen Empfehlungen.
Der Einsatz einer Korsettversorgung ist oft fraglich, da die Effizienz der Korsettbehandlung in keiner Weise bewiesen ist. Allgemein kann es dagegen als bewiesen angesehen werden, dass eine stark progrediente (zunehmende) Skoliose durch eine Korsettversorgung letztendlich nicht zu beeinflussen ist! Die therapeutischen Ziele, die bei der Skoliosetherapie in unserer Abteilung verfolgt werden finden Sie in dem Kapitel „Deformitäten, Skoliose”.
In der folgenden Aufstellung finden Sie eine Kurzbeschreibung verschiedener Korsettarten.
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Das Milwaukee Korsett wurde 1945 von Blount in den USA entwickelt, es besteht aus einem Kunststoffbeckenteil, das vorne und hinten über Aluminiumführungen mit dem geschlossenen Halsring verbunden ist. Der Halsring wird hinten mit einer Schraube verschlossen, hier finden sich ebenfalls die Hinterhauptpolster. Vorne befindet sich eine muldenförmige Auflage für das Kinn. Durch den Einbau von Druckpolstern (Pelotten) wird eine Korrektur der Wirbelsäulenfehlstellung erreicht.
Durch das Korsett soll eine aktive Extension, Derotation und ein Lordoseausgleich herbeigeführt werden. Die Behandlung im Milwaukee-Korsett wird durch eine spezielle Krankengymnastik im Korsett begleitet. Die Nachteile liegen in einem stark lordosierenden Effekt auf die Brustwirbelsäule und in dem belastenden Tragekomfort durch den Halsring. Das Milwaukee-Korsett wird heute in aller Regel nur noch bei hochthorakalen Skoliosen verwendet.
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underarm braces (TLSO = thorako-lumbo-sakrale-Orthese)
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Als underarm braces werden die Nachfolger des Milwaukee Korsetts bezeichnet, die ohne Halsring auskommen.. Bei den TLSO Orthesen wird über eingebaute Pelotten (Druckpolster) an drei Stellen Druck auf die Wirbelsäule ausgeübt, damit die korrigierende Kraft ausgeübt werden kann, um die Fehlstellung der Wirbelsäule zu verbessern.
Diese so genannten Dreipunkte-Korsetts haben ihre Druckpolster in der Regel im Bereich der Lendenwirbelsäule, der Außenseite des Beckens und am Brustkorb.
Die Derotationsorthesen nach Boston, Chêneau und das Lyoner (Stagnara) Korsett gehören zu dieser Art von Orthesen.
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Das Boston Korsett ist eine Weiterentwicklung des Milwaukee Korsetts.
Das Korsett wird nach einem Gipsabdruck aus Kunststoff angefertigt und soll über eingebaute Erhöhungen eine teilaktive Korrektur der Wirbelsäulenfehlstellung erreichen. Das Boston Korsett zeichnet sich anfänglich durch eine starke Entlordosierung der Lendenwirbelsäule aus, die sich als nachteilig erwies. In der Folgezeit wurden durch den modularen Aufbau der Korsetts Varianten des Boston Korsetts entwickelt, die eine Lendenlordose bis zu einem Cobb Winkel von 15° aufzeigen. Dies ist von entscheidender Bedeutung bei der Korrektur der Fehlstellung, da nur über eine physiologische Ausbildung der Lendenlordose eine Kyphosierung der thorakalen und thorakolumbalen Wirbelsäule erreicht werden kann. Das Zusammenspiel der Module und der eingebauten Druckpelotten soll dann eine Aufrichtung und Derotation der Wirbelsäule bewirken.
Das Boston Korsett wird in der Regel zur Behandlung lumbaler und thorakolumbaler Skoliosen eingesetzt.
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Das Chêneau Korsett wurde Mitte der 70er Jahre durch den französischen Arzt Jacques Chêneau entwickelt. Die Orthese wird nach Gipsabdruck aus Kunststoff gefertigt, verfügt über einen Beckenkorb, der das Becken aufrichtet und eine Streckung der Lendenwirbelsäule zulässt.Das Chêneau Korsett ist ein teilaktives Inspirations - Derotationskorsett, wodurch die Korrektur der bestehenden Fehlstellung durch den Pelottendruck, die Freiräume in der Orthese, die als Ausgleichsräume dienen und eine speziell zu erlernende Atemtechnik erreicht wird. Das Chêneau Korsett wird in der Regel zur konservativen Therapie der idiopathischen thorakalen Skoliose eingesetzt.
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Lyoner oder Stagnara Korsett
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Durch eine hohe Anlage des Korsetts unter den Achseln bewirkt diese Orthese eine Rumpfextension. Der Beckenteil und die Achselstützen sind vorn und hinten mit Aluminiumstäben verbunden, die eingebauten Druckpelotten bewirken eine Derotation. Das Stagnara Korsett kann bei thorakolumbalen und mittelhohen thorakalen Skoliosen eingesetzt werden.
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Dieses Korsett wird aus Thermoplast hergestellt und findet hauptsächlich bei thorakolumbalen Skoliosen ohne fixierte Rotationsstellung der Wirbelsäule seine Anwendung.
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Dieses Korsett ist ein so genanntes Umkrümmungskorsett, da im Vergleich zu den oben genannten Orthesen eine umkrümmende Kraft auf die Wirbelsäulenverbiegung einwirkt. Der Patient wird im Korsett in einer maximalen Seitwärtsneigung der zu behandelnden Krümmung gehalten. Durch eine eingebaute Pelotte wird Druck auf die maximale Spitze (Apex) der Krümmung ausgeübt, wodurch eine Umkrümmung der skoliotischen Deformität erreicht wird. Das Korsett soll 8 Stunden während der Nachtruhe getragen werden und wird zur Behandlung kurzer thorakolumbaler oder lumbaler Skoliosen eingesetzt.
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Umkrümmungskorsett nach Lukeschitsch
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Durch eine in den Beckenkorb eingebrachte Pelotte wird Druck auf den lumbalen Scheitel der skoliotischen Krümmung ausgeübt. An den ventralen und dorsalen Aluminiumstangen des Korsetts können Pelotten stufenlos eingestellt werden. Diese Druckkomponenten führen zu einer Derotation und Aufrichtung der Wirbelsäule.
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