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Operative Verfahren bei kongenitaler Skoliose

 

1. In situ Fusion

2. Konvexseitige Hemiepiphysiodesen

3. Konvexseitige Hemiarthrodesen

4. Wuchslenkende Operationsverfahren

5. Instrumentation mit Zielke-Askani Growing-rod

6. Vepter Instrumentation

7. Keilwirbelresektion, Harms-Technik

Die Resektion eines Halbwirbels wurde erstmals von ROYL im Jahre 1928 beschrieben. Die Methode konnte sich jedoch lange nicht durchsetzen. Erst LEATHERMAN berichtet 1979 über gute Ergebnisse bei einer größeren Anzahl von Halbwirbelresektionen über einen zweizeitigen vorderen und hinteren Eingriff. Die Korrektur nach Resektion des Halbwirbels wurde durch Gips- oder Kunststoffkorsette über etwa 6 Monate erreicht. Alternativ wurde die Lücke nach Resektion des Halbwirbels über eine Kompressionsinstrumentation (Harrington) mit Haken geschlossen.

Der Nachteil der kombinierten Keilwirbelresektion, wie sie von LEATHERMAN propagiert wurde, sind folgende:

  • Notwendigkeit eines zweiten ventralen Eingriffes in einer zweiten Narkose
  • Korrektur durch Korsett mit langfristiger Immobilisation - besonders im thorakalen Bereich schwer durchführbar
  • Kompression durch Hakeninstrumentation erfordert stabile dorsale knöcherne Strukturen und kann deswegen bei Kleinkindern nur bedingt durchgeführt werden.

Um die Nachteile dieses Verfahrens zu umgehen, wurde von uns eine Technik der Keilwirbelresektion entwickelt, die alleine vom dorsalen Zugang her durchgeführt wird. Sie wurde erstmals im Jahre 1991 angewandt und ist durch zwei grundsätzliche Merkmale charakterisiert:

  • Komplette Resektion des Halbwirbels über einen rein dorsalen Zugang
  • Korrektur und Stabilisation der Fehlbildung erfolgt durch eine kurzstreckige hemirigide transpedikuläre Instrumentation

Operationstechnik:
Über einen dorsalen Zugang (Zugang von hinten) werden der Halbwirbel und die benachbarten Wirbel einschließlich der Wirbelbogen der kleinen Wirbelgelenke dargestellt. Im Bereich der Brustwirbelsäule müssen auch die Rippen-Wirbelgelenke präpariert werden. Der Eintrittspunkt der Pedikelschrauben (Pedikel=Bogenwurzel) an den benachbarten Wirbeln wird zunächst mit Kanülen markiert, die Lage und Richtung der Kanüle wird dann im Bildwandler kontrolliert (Abb. 1).

Abb. 1

Nach Vorbohren und Einschneiden eines Gewindes werden die Pedikelschrauben eingebracht. Die dorsalen Anteile des Halbwirbels werden reseziert (entfernt): Lamina, Gelenkfacetten, Querfortsatz, dorsale Pedikelanteile. Der Duralsack und die Nervenwurzeln ober- und unterhalb des Pedikels des Halbwirbels werden dargestellt (Abb. 2).
Abb. 2

Nach Resektion der Bogenwurzel erfolgt die Darstellung des seitlichen Anteils des Halbwirbels: im Bereich der Lendenwirbelsäule muss dazu der Querfortsatz reseziert werden, im Bereich der Brustwirbelsäule muss das überzählige Rippenköpfchen reseziert werden, um die Seitenwand des Wirbelkörpers gut darzustellen. Die Präparation der Seitenwand und der Vorderwand des Wirbelkörpers erfolgt stumpf, sie kann subperiostal oder extraperiostal (unterhalb oder außerhalb der Knochenhaut) erfolgen. Es ist wichtig, vorsichtig dann einen stumpfen Spatel vorzuschieben, um die ventral vor dem Halbwirbel liegenden Gefäße zu schützen (Abb. 3).
Abb. 3

Unter Schutz von Duralsack (Rückenmarkhülle) und Nervenwurzeln werden dann die den Halbwirbel begrenzenden Bandscheiben inzidiert und ausgeräumt, der Rest des Pedikels zusammen mit dem Halbwirbel wird dann mobilisiert und entfernt (Abb. 4).
Abb. 4

Danach wird die auf der Konkavseite liegende Bandscheibe entfernt, die die beiden Wirbelkörper verbindet, die sich nach cranial und caudal dem Halbwirbel anschließen. Die Deckplatten der benachbarten Wirbel werden angefrischt (Abb. 5).
Abb. 5

Danach erfolgt das Einsetzen der Längsträger auf der Konvexseite und Ausübung von Kompression über die Konvexität, wodurch sich die Lücke, die nach Resektion des Halbwirbels entstanden ist, vollständig schließt, die angefrischten Endplatten der benachbarten Wirbelkörper nähern sich aneinander. Das Knochenmaterial aus dem Halbwirbel wird zur raschen knöchernen Fusion angelagert. Auch auf der Konkavität erfolgt eine entsprechende dynamische Stabilisierung (Abb. 6 und 7).
Abb. 6 Abb. 7

Bei gleichzeitig bestehender ausgeprägter Kyphosierung kann ein Titankorb als vordere Abstützung in das Bandscheibenfach eingesetzt werden. Dieser wirkt dann als Hypomochleon (Dreh- oder Unterstützungspunkt) für die dorsale Kompression, um eine segmentale Lordose zu erzielen. Gleichzeitig wird dadurch eine zu starke Verkürzung des Rückenmarkes verhindert.
Bei einfachen Halbwirbeln ohne weitere Fehlbildungen genügt es im Allgemeinen, nur die beiden direkt an den Halbwirbel angrenzenden Wirbel zu fusionieren. Bei stärkeren strukturellen Veränderungen der Nachbarwirbel oder höhergradiger Kyphose können weitere Segmente temporär in die Instrumentation einbezogen werden. Bei kontralateraler Barbildung und Rippensynostosen wird der Bar durchtrennt und die konkavseitigen Rippenköpfchen reseziert. Die Instrumentation muss über die gesamte Länge des Bars durchgeführt werden.

Nachbehandlung:
In der Regel ist das Aufstehen nach dem ersten postoperativen Tag möglich. Je nach Stabilität der Instrumentation und Länge der Fusion wird ein Korsett (2-Schalen-Orthese oder ein Stagnara-Korsett) für ca. 12 Wochen angepasst.

Beurteilung der Ergebnisse

Korrektur der Hauptkrümmung:
Der segmentale Winkel der Hauptkrümmung betrug präoperativ durchschnittlich 37,6° (16-66°). Diese korrigierte sich postoperativ auf 8,7° (-1° bis 29°) und betrug 6,2° (-5° bis 30°) bei der letzten Nachuntersuchung. Dies bedeutet eine durchschnittliche Korrektur von 31,4° oder 84%.
Der Gesamtwinkel der Hauptkrümmung betrug präoperativ durchschnittlich 45,9° (16° bis 109°), er korrigierte sich postoperativ auf 11,9° (-1° bis 45°) und 9,9° (-5° bis 55°) bei der letzten Nachuntersuchung. Dies bedeutet eine durchschnittliche Korrektur von 36° oder 78%.

Korrektur der Sekundärkrümmung:
Auch die Korrektur der Sekundärkrümmung ist sehr zufriedenstellend. Für die nach kranial sich anschließende Gegenkrümmung konnte in der Regel eine Spontankorrektur von 80° und für die nach kaudal sich anschließende Sekundärkrümmung eine Spontankorrektur von 75° erreicht werden.

Korrektur in der Sagittalebene:
Auch das sagittale Profil konnte in der Regel erhalten oder normalisiert werden.

Komplikationen:
In keinem Fall kam es zu neurologischen Komplikationen. Möglich ist ein Implantatbruch, da es sich um eine dynamische Instrumentation in einem gesamten dynamischen System handelt. Bei wenigen Patienten kam es im Laufe des weiteren Wachstums zu einer erneuten Skoliose, die einer erneuten operativen Korrektur bedurfte.

Zusammenfassung:
Es handelte sich hier insgesamt um doch sehr erfreuliche Ergebnisse, wobei auch die Anzahl der Nachoperationen als voll akzeptabel anzusehen ist. Denn es muss bedacht werden, dass es sich bei diesen Patienten um sehr junge Patienten handelt. Das Durchschnittsalter in unserem Patientengut lag bei 3,5 Jahren (15 Monate bis 6 Jahre).
Somit ist klar definiert, dass die Wirbelsäule zum Zeitpunkt der Operation ein großes Wachstumspotential besitzt. Die Auswirkungen auf die Fusion innerhalb des wachsenden Skeletts können nie sicher vorausgesagt werden. Insgesamt waren wir jedoch erstaunt, wie relativ gering der Einfluss des Wachstums auf das fusionierte Segment gewesen ist.